Meine Krebsgeschichte: „Die Diagnose war wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht“ – Ein Interview mit Stefan

Welchen Krebs hast du Stefan?

Ich bekam die Diagnose Darmkrebs.

Was ist das Gefährliche an Darmkrebs?

Im Prinzip ist ja jeder Krebs gefährlich. Darmkrebs ist vor allem deshalb gefährlich, weil er im Frühstadium nur wenige Beschwerden verursacht.

Für mich kam die Diagnose wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Ich musste mich erst einmal selber mit dem medizinischen Befund befassen, den mir mein Gastroenterologe mitgeteilt hatte, damit ich das irgendwie verstehen konnte.

Es ist so, dass der Tumor in vier Größen gemessen wird und da liegt halt das Problem. Wenn der Tumor nicht rechtzeitig erkannt wird, bricht er durch die Darmwand und streut. Ab dann gehen die Probleme erst so richtig los. Ich bin jetzt 51 Jahre alt und somit ein sehr junger Patient was Darmkrebs angeht. Darmkrebs wächst langsam. Es hätte auch noch Jahre gehen können, bis ich was gemerkt hätte oder dann einen Darmverschluss bekommen hätte. Und anders herum: Wäre ich fünf Jahre früher zur Vorsorge gegangen, wäre der Tumor sicherlich wesentlich kleiner gewesen.

Wie bzw. wann hast du davon erfahren?

Am 02.12.2019 wurde ich von meinem Hausarzt zur Magen-Darmspiegelung überwiesen. Die Untersuchung ist ja völlig schmerzfrei. Im Anschluss an die Untersuchung bekam ich dann leider meine Diagnose.

Hattest oder hast du Angst?

Einfache Antwort: Ja! Natürlich hat man Angst, da ist was in deinem Körper, was da so nicht hineingehört. Und immer die Frage „Was macht der Tumor mit meinem Körper, bzw. was hat er schon alles für Schäden angerichtet“? Das Vertrauen in den eigenen Körper lässt wirklich nach. Genau das kann einen schon viele Stunden Schlaf kosten.

Wie hat sich dein leben geändert bzw. wie ging es weiter? 

Ab dem Zeitpunkt der Diagnose, war mein Leben eingetaktet. Es wurden weitere Untersuchungen im Krankenhaus Bogenhausen durchgeführt. Im CT konnte man dann erkennen das der Tumor noch nicht gestreut hat. Hier konnte ich schon einmal kurz durchatmen, da die Hoffnung auf Genesung schlagartig größer wurde und die Angst dann auch ein wenig kleiner. Am 02.01.2020 wurde ich dann operiert.

Die OP verlief ohne größere Probleme, zwei kleine Einstiche und eine Narbe von zirka 5 cm, die bei mir jetzt wirklich sehr gut verheilt ist. Nach sechs Tagen kam ich aus dem Krankenhaus und mir ging es so richtig gut. Mein Freundeskreis und meine Familie waren sehr überrascht, wie gut drauf ich war. Da bei dem Darmstück, welches mir entfernt wurde, von den 45 Lymphknoten leider 5 befallen waren, musste ich eine Chemotherapie durchführen.

Anfang Februar wurde mir dann ein Port unterhalb der linken Schulter eingesetzt. Vom Port hatte ich anfangs echt keine gute Meinung, heute weiß ich wie wirklich sinnvoll er ist, da er die Therapie enorm erleichtert. Und ich habe mich schnell an ihn gewöhnt.

Die Chemo begann Mitte Februar in München. Immer eine Woche Chemo im Krankenhaus ambulant 2 ½ Tage, dann eine Woche Pause und dann wieder Chemo.

Ab dann begann eine Zeit in meinem Leben, die ich hoffentlich nicht mehr erleben muss.

Ich empfand die Chemo leider als sehr unpersönlich. Man sitzt in seinem Zimmer – meistens auch nicht alleine – und lässt sich eine Infusion nach der anderen geben. Sicherlich hat man auch ärztliche Betreuung, aber halt alles im „Schnell-Verfahren.“ Meine Nebenwirkungen wurden immer heftiger und die Ärzte konnten nicht so richtig weiterhelfen.

Ich bekam die Empfehlung, zur Veramed Klinik zu wechseln und traf die Entscheidung, dorthin zu gehen um die Chemo dort stationär durchführen zu lassen. Sicherlich ein größerer Aufwand – aber die beste Entscheidung für meinen doch sehr belasteten Körper.

Hier wurden ich zusätzlich mit Wärmebehandlung, Hyperthermie,  Fußreflexzonenmassage, Reizstrombehandlung behandelt und durch die Nähe der Ärzte und Physiomitarbeiter konnte ich Therapie und Nebenwirkungen wirklich viel viel besser vertragen.

Viele Betroffene haben Angst, dass man nicht mehr normal essen kann. Wie war das bei dir? 

Bei mir war es so, dass ich einen Tag nach der OP schon Schonkost bekommen habe und ab dem zweiten Tag Normalkost die langsam aufgebaut wurde. Nach dem Krankenhaus konnte ich normal essen. Während der Chemo ist es schon schwierig gewesen. Die ersten Tage ging es noch. Ab Mitte der Woche kam die Appetitlosigkeit. Während der Chemo habe ich ca. 19 Kg abgenommen. Heute 8 Wochen nach ende meiner Chemo und Reha habe ich wieder zugelegt, keine 19 kg aber so, dass ich mich wohl fühle.

Ich gebe offen zu, dass es für mich schon eine Horrorvorstellung war, dass ich nach der OP mit einem künstlichen Darmausgang aufwache. Das war Gott sei Dank nicht der Fall, aber wenn man sich mit Patienten unterhält, ist das schon noch mal ein Handicap für die Zukunft.

Auch hier gibt es jedoch einige Möglichkeiten, um die Situation zu verbessern. Ich habe hier sehr viele Dinge auch auf der Reha in Prien mitbekommen. Ich kann nur jedem Patienten raten, sich einfach in Ruhe und vor allem ausführlich zu informieren.

Gibt es Orientierungshilfen?

Natürlich gibt es die! Die Deutsche Krebshilfe, Psychologen während der Chemo bzw. auch in der Reha, gute Ärzte und sicherlich das Wichtigste: Familie und gute Freunde. Ich habe von Anfang an kein Geheimnis aus meiner Krankheit gemacht.

Sicherlich kamen oft Kommentare von gut gemeintem Mitleid, die manchmal auch zu viel waren. Aber ich war nicht allein, die Anteilnahme war gewaltig und die Freude über erreichte Ziele konnte ich dann auch gemeinsam genießen.

Leider kam zu meiner Krebserkrankung auch noch Corona mit dazu. Deshalb war es auch so wichtig mit der eigenen Familie die Situation durchzustehen, aber auch mit Freunden über die sozialen Medien in Kontakt zu bleiben. Eine Isolation in dieser Zeit wäre für mich das schlimmste gewesen.

Was hat dir persönlich geholfen?

Die 4-Wöchige Reha war für mich schon sehr wichtig. Die Kombination aus Sport, Entspannungstherapie und Gesellschaft gab mir viel Kraft und auch die Erkenntnis in Zukunft besser auf meinen Körper zu achten.

Neben der medizinischen Behandlung gibt es auch seelische und soziale Belastungen. Was waren hier deine großen Sorgen?

Das war tatsächlich bei mir nicht so das große Thema. Durch meine tolle Familie, mein soziales Umfeld und auch meinen Arbeitgeber, der mich auch hier unterstützt hat, waren die Sorgen nicht groß.

Die seelische Belastung ist natürlich da, da bin ich mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob ich das nicht zu stark vernachlässigt habe. Das wird sich noch herausstellen und dann hoffe ich, dass ich die Zeichen erkenne und reagiere.

Wie geht es dir heute?

Es geht mir gut. Nicht sehr gut – aber „gut“. Die Krankheit – und all das, was ich die letzten 9 Monate erlebt habe -, hat mich sehr geprägt. Die Vorsorge-Untersuchung hat mir sicherlich das Leben gerettet. Unsere Schulmedizin gibt uns Infos und Tipps, die wir beachten sollten und auch die Möglichkeit, dass wir reagieren können. Es gibt tatsächlich so viele tolle Ärzte, Krankenpflegekräfte und Physiotherapeuten die einem helfen, dein Leben wieder so zu gestalten, dass es „gut“ ist.

Ich beschönige nichts: Auch bei meinen acht Chemo-Runden in der Veramed Klinik in Brannenburg hatte ich meine Nebenwirkungen und je länger die Chemo dauerte, um so schlechter ging es mir. Aber ich wurde von den Ärzten aufgefangen. Man konnte mit Ihnen einen Therapieplan erstellen, der für beide Seiten passt.

Ich danke Herrn Dr. Müller-Stahl für seine sehr freundliche und menschliche Art. Er lebt diesen Beruf und hat um sich herum wirklich sehr nette und kompetente Kollegen. Danke auch an alle Krankenpflegekräfte: Ihr macht wirklich einen tollen Job – trotz den nicht einfachen Bedingungen durch Corona. Danke auch an Frau März vom Empfang: Es ist schon schön, wenn man bei Ankunft in der Klinik mit einem strahlenden Lächeln begrüßt wird. 

Trotz vieler Nebenwirkungen und Frust während der Therapie, waren die Gespräche auch bei Elektromassage, Fußreflex usw. immer sehr angenehm. Ich konnte mit den Leuten in der Klinik über „fast“ alles reden, was gerade ansteht. Hier geht Dank nun auch noch an Herrn Strittmatter, der für mich Physiotherapeut und Psychologe in einer Person war. Zusammengefasst: Ihr seid ein tolles Team. Euer Stefan!

Danke Stefan für das tolle Interview!